Einmal Hölle und zurück

Mittwoch, 13. August 2014

Nie hätte ich gedacht, dass ich mich auf einen Einkauf bei IKEA freuen würde. Doch zur Ausstattung einer temporären Wohnung ist der Laden erste Wahl. Das liegt zum einen an den Preisen, die für Möbel, bei denen man überall die Schrauben sieht, allerdings gar nicht so niedrig sind. Der unschlagbare Vorteil von IKEA ist jedoch, dass man hier zurückhaltend dekorierte Einrichtungsgegenstände kaufen kann. In Deutschland ist es schon schwierig genug, hier aber geradezu aussichtslos, auch nur einen Duschvorhang ohne niedliche Fischlein, Pferdchen oder Blümchen zu bekommen.
Wochenlang hatte ich Herrn K. in den Ohren gelegen, letzten Sonntag sind wir dann tatsächlich zu IKEA aufgebrochen. Richtig: am Sonntag. Sämtliche Geschäfte sind in Russland täglich geöffnet, die drei Moskauer IKEA-Filialen sogar bis 2 Uhr nachts. Da das Personal allerdings schon um 16 Uhr nicht besonders beweglich scheint, ist es vermutlich keine gute Idee, nachts einkaufen zu gehen. 
Die nächstgelegene IKEA-Filiale befindet sich im Mall-Komplex „Mega“, der diesen Namen vollkommen zu Recht trägt: 300.000 Quadratmeter purer Einkaufsstress, und ringsherum wird munter weiter gebaut.
Der nichtmotorisierte Besucher erreicht „Mega“ von der Metrostation aus mit dem Bus, oder – weil dieser nur in größeren Abständen verkehrt – mit der Marschrutka. Die Fahrt in solchen Kleinbussen verringert die Wahrscheinlichkeit eines natürlichen Todes zu sterben um etwa 50 Prozent. Bis auf wenige Ausnahmen befinden sich die Wagen in einem schlechten Wartungszustand und werden von Personen gelenkt, deren Fahrstil man als rasant bis risikofreudig bezeichnen kann.
Überhaupt schreckt Marschrutka-Fahrer gar nichts: Auf der Rückfahrt ließ unser Fahrer während der Fahrt einfach die Schiebetür offen. Ich saß direkt neben der Tür, und da es in Marschrutkas selbstverständlich keine Gurte gibt, klammerte ich mich fest an Herrn K. Der Fahrer gluckste vor Lachen, ließ sich dann aber gnädigerweise dazu herab, die Tür zu schließen. Das war richtig nett, denn jetzt musste er sie bei jedem Halt wieder öffnen und schließen. In einer Marschrutka geht es nämlich zu wie in einem Taubenschlag: Menschen, die irgendwo am Straßenrand winken, werden mitgenommen, der Ausstiegsort ist ebenso frei wählbar. Der Tarif wird dann Pi mal Daumen berechnet. Dieser ist ohnehin niedrig – meist kostet eine Strecke 30 bis 35 Rubel. Es gibt Linien, die mit den Buslinien fast identisch sind, aber auch kürzere, die zum Beispiel zwischen einer Metrostation und einer Shopping-Mall verkehren.
Trotz allem sind Marschrutkas in Moskau unverzichtbar – die Metrostationen liegen sehr weit auseinander und Busse und Straßenbahnen allein reichen nicht aus, um die Menschenmassen zu transportieren. Da bleibt nur, auf die Reaktionsschnelle des Fahrers zu hoffen und darauf, dass er die Tür zumacht.

6 Kommentare:

  1. Das scheinen ähnliche Verhältnisse wie in Marokko zu sein (was die Straßenverkehrsmittel angeht). Nur das selbst die Einheimischen während der Fahrt des Öfteren zur Tüte greifen müssen. Dann bin ich ja schon bestens vorbereitet für meine nächste größere Reise :). Grüßchen, Schwester M.

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    1. Nein, eine Tüte braucht man hier nicht - so schlimm ist es dann doch nicht. Die Fahrer sind nur herzlich wenig um das Wohl ihrer Gäste besorgt. Allerdings - so ganz geheuer ist ihnen ihr Job nicht: Um den Verkehrsgott gnädig zu stimmen, kleben viele ein Geldstück auf den Boden im Fahrgastraum ... und lachen sich scheckig, wenn jemand versucht, es aufzuheben.

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  2. Ich nehme an, du sprichst aus Erfahrung? :) M.

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    1. Auf diese Frage habe ich gewartet - et voilà! Nein, ich hebe kein 50-Kopeken-Stück von einem dreckigen Fußboden auf. Ich hatte das nur schon oft gesehen - Herr K. erklärte mir dann die Bedeutung.

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  3. Hallo :)
    dein Eintrag ist wirklich schön geschrieben, und ich lese deinen Blog sehr gerne.
    Ich muss ja sagen, ich bin ein bisschen neidisch. Ich habe mal ein Auslandssemester in Moskau verbracht und vermisse den chaotischen Trubel ein wenig.
    Ich wünsche dir noch alles Gute im schönen wilden Russland!
    Liebe Grüße,
    Christina

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    1. Hallo Christina,
      vielen Dank, über Dein Lob freue ich mich sehr! Ja, Moskau ist äußerst lebendig und verändert sich ständig. Man braucht zwar für alles mehr Kraft als in Deutschland/Berlin, aber es macht auch viel mehr Spaß!
      Poka!

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